Diskurs 03.05
Bio-Genetik als Beispiel für das neue Verständnis von Materie.
Der materielle Aufbau des Gehirns
Inhalt
- Veränderung des Begriffs Materie
- Das beste Beispiel für den Forschungssprung in der Weiterentwicklung des Materiebegriffs gerade im Blick auf den Menschen sind die jüngsten Entdeckungen der Bio-Genetik.
- Die genetische Erbinformation DNA ist in jedem einzelnen Lebewesen welcher Art auch immer fester Bestand der materiellen Zellstruktur.
- Dieser kurze DNA-Exkurs bildet den wissenschaftlichen Forschungshintergrund für unsere philosophische Schlussfolgerung:
- Die These vom materiell bedingten Geist bestätigt sich in der modernen Erforschung des menschlichen Gehirns.
- Die moderne Gehirnforschung differenziert das menschliche Gehirn in
drei große Teile: - Stammhirn und Limbisches System sind keine Denkhirne
- Neo-Kortex, das Denkhirn.
- Das Additiv des Menschen
- Zusammenfassung in drei Thesen und aktuelle Schlussfolgerungen
(1) Veränderung des Begriffs Materie
Grundlegend für eine naturwissenschaftliche Erforschung gerade auch des Menschen und seiner geistigen Fähigkeiten ist die Tatsache, dass sich in den letzten hundert Jahren die Definition des Phänomens Materie stark verändert hat. Durch die Erkenntnisse der Quantenphysik, durch die Informationstheorie der Kybernetik und der Computerwissenschaften, durch die Codierungsprinzipien der Biogenetik sind völlig neue Dimensionen der Materie erkannt worden bis hin zu multifunktionalen Wirkungsstrukturen – insgesamt eine faszinierende Differenzierung der physikalischen und chemischen Prozesse und damit der materiellen Welt.
Diese Differenzierungsprozesse der materiellen Strukturen sind heute keineswegs abgeschlossen, sondern befinden sich gerade in unserer Zeit noch in offenen Forschungsprozessen: In ihnen wird die Definition der materiellen Strukturen wesentlich erweitert mit der doppelten Tendenz:
– Zum einen: Je differenzierter und funktioneller sich Materie bis in die allerletzten Grundlagen, speziell in der atomaren Grundlagenforschung, definieren lässt, desto genauer lassen sich die materiellen Abläufe in ihren Ursachen und Wirkungen nachvollziehen. Seit Demokrits atomos-Lehre vor fast 2500 Jahren erweist sich Materie heute im Mikrokosmos immer bestimmter als ultima causa der kosmischen Wirklichkeit.
– Zum anderen: Je komplexer und universeller sich dabei die Strukturen der Materie ganzheitlich aufbauen lassen, desto zwingender lässt sich aus ihnen die Möglichkeit des materiellen Ursprungs allen Lebens und auch des Geistes ableiten. Mit der Erkenntnis der Entstehung der Atome im Urknall wird dadurch die Materie im Makrokosmos immer bestimmter als prima causa auch des gesamten Seins erkennbar.
(2) Das beste Beispiel für den Forschungssprung in der Weiterentwicklung des Materiebegriffs gerade im Blick auf den Menschen sind die jüngsten Entdeckungen der Bio-Genetik.
In ihnen erweist sich die substantielle Öffnung und Weiterentwicklung des Begriffs Materie. Um dies in einem ersten Ansatz erklären zu können, nennen wir hier einige biogenetische Hauptdaten mit dem Verweis auf unseren weiterführenden
Mittels der Entdeckung der DNA1 ist zum einen die Gattung Mensch ganz generell und artspezifisch in der langen biologischen Evolution zu orten. Die DNA beinhaltet die spezifische Erbanlage der Menschen, aber auch aller anderen Arten und Gattungen der Lebewesen. Sie lässt sich aus kleinsten Gewebeteilen als Erbinformation aus jeder Körperzelle analysieren und bestimmen. Per DNA ist zum Beispiel festgestellt, dass Mensch und Schimpanse zu 94 % gleiche Erbanlagen haben.
Mittels der Entdeckung der DNA ist darüber hinaus jeder einzelne Mensch ganz persönlich und individuell zu identifizieren. Jeder Mensch hat seine eigene DNA, mit der er unverwechselbar und eigen ist, egal was und wo er etwas tut, selbst wenn er schon tot ist. Seine DNA ist als sein spezifischer Entstehungscode im Zellkern jeder Körperzelle gleichsam unzerstörbar eingelagert.
Chemisch gesehen ist die DNA ein Biomolekül: Des–oxy–ribo–nuklein–säure. Es besteht aus Nukleinsäuren, langen Kettenmolekülen. Sie werden aus vier Nukleotiden gebildet, die gleichsam die Baustoffe für die Nukleinsäuren sind. Hauptbestandteil der Nukleotiden ist jeweils eine der vier organischen Basen Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G), Cytosin (C).
Der Aufbau der DNA ist als Doppelhelix organisiert, eine in sich gedrehte fadenförmige Kettenspirale. In ihr sind die vier Nukleotiden wie in einem Baukastensystem zu einem speziellen Grundmuster zusammen gesetzt, wobei nur immer die beiden zueinander passenden Nukleotiden miteinander korrespondieren, nämlich A mit T und B mit C.
Die ganze DNA-Helix besteht aus mehreren separaten Segmenten, den Chromosomen. Beim Menschen besteht das DNA-Segment aus 46 Chromosomen. Da sich immer die gleichen Nukleotidenpaare AT und BC bilden, bestehen in der Zelle eigentlich nur 22 unterschiedliche Chromosomen. Hinzu kommen noch die X und Y-Chromosomen, die bei der Zellteilung das Geschlecht (XX / weiblich, XY / männlich) bestimmen. Ein vollständiger Chromosomensatz besteht beim Menschen also aus 22 (+1) Chromosomenpaaren, 44 (+2) Einzelchromosomen.
Ein Chromosomensatz ist ein in sich fest gefügtes System mit individuell aneinandergereihter Folge der Chromosomenpaare. Die genetischen Informationen liegen in der Ordnungsfolge der Chromosomenpaare. Die potentielle Kombination der Reihenfolge der Chromosomenpaare liegt beim Menschen im Maximum bei 32 Milliarden Möglichkeiten und damit in einer entsprechend hohen Programmierfrequenz des Körpers. Die DNA ermöglicht damit eine nahezu grenzenlose Lebensvielfalt – auch in der Schaffung völlig neuer Lebensformen.
Die DNA-Doppel-Helix in die Länge aufgezogen ist beim Menschen zwei Meter lang. sie ist aber nur 2 Nanometer (2×10 hoch minus 9) breit. Sie ähnelt einer feinen chinesischen Glasnudel. In Funktion ist sie als Knäuel zusammengerollt und liegt im Zellkern – billionenfach, denn der Mensch hat Billionen von Zellen. Dabei gibt es 250 unterschiedliche Zelltypen mit jeweils eigenen Funktionen und Aufgaben, die Leber hat andere als das Auge oder das Denkhirn. In jeder Zelle liegt zwar die ganze DNA, aber jeder Zelltyp schlägt gleichsam nur den Teil der DNA auf, den er selber braucht, um seine Arbeit zu leisten. Dazu spreizt er die Doppelhelix auf und „liest“ den Teil seines Arbeitsprogramms. Der benutzte DNA-Teil definiert den Zelltyp.
Ein Gen ist die kleinste Teilstrecke einer DNA. Es ist Träger einer Information. Information der DNA liegen aber nicht nur in einem einzelnen Gen, sondern auch in Gengruppen, also in übergreifenden DNA-Abschnitten. Die Gesamtheit aller Gene nennt man Genom.
Die DNA ist von wichtigster Bedeutung für die Zellteilung, also für die Reproduktion der Zelle speziell bei der Entstehung neuen Lebens. Das gesamte Genom muss dann exakt kopiert und verdoppelt und auf eine neue eigenständige Lebensstruktur übertragen werden. Die embryonale Wachstumsphase beinhaltet einen solchen hochkomplizierten biologischen Programmierungsprozess.
Die DNA steuert auch die gesamte formale DNA-Durchführung und damit die Abläufe im Körper. Das passiert mittels chemischer Prozesse. Ein wesentlicher Bestandteil sind dafür die Proteine oder Eiweißstoffe. Sie sind durch Aminosäuren aufgebaut und bilden Makromoleküle. Sie transportieren die Stoffe, die der Körper braucht. Den chemischen Dialog zwischen DNA und Proteinen vermittelt das Botenmolekül RBA (Ribo-nuklein-säure). Es sorgt für die Durchsetzung der DNA-Anweisung, indem es mittels der Eiweiß erzeugenden Ribosomen die von der DNA angeforderte Aminosäurenfrequenz für die benötigten Proteine herstellt. Die Arbeiten des Körpers stellen insgesamt chemische Prozesse dar gemäß genauer DNA-Anweisungen.
Die DNA lässt sich nicht nur intern „lesen“, sondern auch extern. Mit chemischen Verfahren lässt sich die DNA aufschlüsseln und definieren. Damit werden die körperlichen Voraussetzungen des Lebens zunehmend erkennbarer und auch berechenbarer. Genetik erforscht und definiert also die körperlichen Auswirkungen von DNA-Teilstrecken auf das Lebewesen. Schon heute kann man feststellen, ob ein Gen richtig oder fehlerhaft funktioniert. Fehlerhaft bedingt eine oft schwere krankhafte Abweichung von der natürlichen Körperlichkeit, die das Leben stark belastet. Zunehmend stellt sich die Möglichkeit dar, mit einem genetischen Eingriff den genetischen Schaden zu reparieren. Natürlich auch die Chance oder die riesige Gefahr, das Individuum genetisch gezielt zu manipulieren.
(3) Die genetische Erbinformation DNA ist in jedem einzelnen Lebewesen welcher Art auch immer fester Bestand der materiellen Zellstruktur.
Seit Jahrmillionen wird in der Erbfolge der materielle Bauplan eines Lebewesens mit der DNA in faszinierender Genauigkeit weitergegeben. Die gesamte Software individueller Körperlichkeit ist genetisch als materielle Grundstruktur fest verankert. Sie ist nicht von der leiblichen Individualität zu trennen, denn s i e i s t im Grundbestand die materielle Struktur der leiblichen Individualität, billionenfach in jede Zelle eingebrannt, nicht veränderbar. Veränderungen können nur partiell erfolgen als Abänderungen des materiellen Grundmusters.
Es besteht also der engste Zusammenhang zwischen Materie und genetischer Information. Genetische Information ist Materie in biologisch-individueller Form, ist biologisch-individuell quantifizierte Materie. Damit vollzieht sich in der biologischen Individualität das gleiche materielle Konzept wie in der atomaren Individualität: Die quantifizierte Materie ist die Struktur der kosmischen Evolution in allen ihren atomaren, ihren biologischen und auch ihren geistigen Formen. Genau an dieser Stelle beginnt die Frage nach dem Gehirn als quantifizierter Materie in der höchsten Stufe der kosmischen Evolution.
(4) Dieser kurze DNA-Exkurs bildet den wissenschaftlichen Forschungshintergrund für unsere philosophische Schlussfolgerung:
Mit der Bio-Genetik und ihrer rein materiellen Struktur in allen biologischen Dingen, auch im Menschlichen und im Geistigen, ist ein uralter Philosophenstreit zu entscheiden, der die Seinsdeutung in den letzten 2500 Jahren immer tief gespalten und damit offen gehalten hat:
Gegen Platon, den Philosophen der Ideen in einer jenseitigen Welt.
Er hat behauptet:
Die prima causa, die Letztbegründung, des Seins läge a n t e r e m (lateinisch: v o r der Welt)
– in einer Ideenwelt, die vor und jenseits unserer diesseitigen Wirklichkeit als Idealwelt existiert. Diese jenseitige Ideenwelt sei das wirkliche Sein, das Diesseits nur ihr vergänglicher Abglanz.
Deshalb müsse – gemäß Platon – der Mensch mittels eines philosophischen, religiös-spekulativen Glaubens über die diesseitige materielle Welt hinaus nach der Idealwelt fragen, um das wirkliche Sein in seinem transzendenten Wesen zu erkennen und sich als menschliche Existenz diesem idealen Sein gemäß zu definieren.
Für Aristoteles, den Philosophen der Ideen in der diesseitigen Welt.
Er hat behauptet:
Die prima causa, die Letztbegründung des Seins läge i n r e (lateinisch: i n der Welt)
– in unserer diesseitigen Welt selbst. Das Sein existiere nur in der in sich geschlossenen Wirklichkeit unserer realen Welt der materiellen Natur. Alle Kräfte, die das Sein bewegen, seien dieser einen einzigen Welt inhärent.
Folglich müsse der Mensch – gemäß Aristoteles – mit seiner rationalen Vernunft in die vorfindliche materielle Welt hineinfragen, denn nur in ihr selbst fände er mittels seiner rationalen Vernunft – und damit naturwissenschaftlich – die Bedingungen des realen Seins:
– Die hyle, der Stoff, die Gesamtheit der Materie.
– Die morphe, die Urform, die die Materie von Grund her prägt und gestaltet.
– Das telos, das Ziel, das in der Form selbst die Materie mit innerem Entwicklungszwang auf ihre möglichen Funktionen und Wirkungen hin entfaltet.
Deshalb kommt von Aristoteles her schon immer das absolute Kontra gegen Platon: Die prima causa, der letztgültige Logos, die Ideenwelt, steckt nicht in einer Welt außerhalb unserer Welt, sie steckt in unserer Welt selbst als Materie und als ihre inhärente Form und ihr Ziel. Diese Seinsform muss der Mensch mit seiner rationalen Vernunft zu erkennen und zu begreifen suchen.
Der philosophische Bezug zur Biogenetik und seine Konsequenz ist eindeutig: In den Erkenntnissen der Biogenetik vollzieht sich der weltinhärente materielle Denk- und Forschungsansatz des Aristoteles gerade auch hinsichtlich der materiellen Struktur des Geistes.
(5) Die These vom materiell bedingten Geist bestätigt sich in der modernen Erforschung des menschlichen Gehirns.
Im Sinne von Aristoteles ist die Bio-Genetik ein exzellenter Beweis für die materielle Diesseitigkeit gerade auch des Geistes und aller seiner Erscheinungsformen, das Denken, das Ich-Bewusstsein und alle aus ihm entstehenden Derivate. Eine sinnvolle Diskussion über den materiell bedingten Geist ist in unserer Zeit heute nicht möglich, ohne über das menschliche Gehirn und seine Funktionen und Produktionen grundsätzliche Kenntnisse zu haben.
Denn viele Menschen stellen die unglaublichsten Behauptungen über den Geist auf, ohne auch nur ein einziges Mal vom Gehirn zu sprechen. Stellt man ihnen zum Gehirn eine Frage, dann gibt es meist keinerlei Antwort, nur ein geringschätziges Lächeln. Es ist ihnen völlig unverständlich, dass der Geist eine materielle Basis braucht um entstehen, sich entwickeln und in Gang bleiben zu können. Irgendwie finden sie es unwürdig, dass der erhabene Geist in einem abhängigen Verhältnis zur Materie stehen soll. Eine tiefe Abneigung und eine gezielte Unwissenheit des Religiösen begegnen jedem, der über das Gehirn und vom materiell bedingten Geist redet.
(6) Die moderne Gehirnforschung differenziert das menschliche Gehirn in
drei große Teile:
Das menschliche Gehirn ist das körperliche Organ, in dem sich der Denkapparat mit der materiellen Ausprägung des Geistes seit den letzten fünf bis sieben Millionen Jahren entwickelt hat und immer noch entwickelt. Das Gehirn ist also von seiner frühesten Entstehung her nicht als ein fertiges Ganzes statisch vorgegeben. Es hat sich vielmehr innerhalb eines langwierigen Evolutionsprozesses des Lebenden auf der Erde in verschiedenen Schichten zu einem schließlich äußerst komplexen Organ ausgebildet. Das Gehirn befand sich dabei bereits vor der Entstehung des Menschen in voller Entwicklung. In seinen elementaren Anfängen hat das Gehirn seinen Ursprung im Zellkern der Urzelle. Dort lässt es sich nachweisen als winzige Schaltzentrale, die den individuellen Organismus kontrolliert und steuert. Von diesen allerersten Anfängen vor drei Milliarden Jahren ist das Gehirn in der Evolution der Lebewesen ständig mitgewachsen und hat schließlich im Menschen den Neo-Kortex, das Denkhirn, hervorgebracht.
Der Mensch steht also mit seinem Gehirn uneingeschränkt in dieser Entwicklungskette. Dabei hat das Gehirn im Menschen seinen uns erkennbar höchsten Entwicklungsstand erreicht. Allerdings ist die Evolution des Gehirns prinzipiell weder auf den Jetztstand des Menschen zu begrenzen, noch überhaupt auf die Spezies Mensch einzuschränken. Als real vorstellbar sind jedwede Weiter-, aber auch Andersentwicklungen des Gehirns nicht nur in der zukünftigen Erdgeschichte, sondern auch auf anderen planetenähnlichen Sternen im Kosmos. Der heutige Ist-Zustand des menschlichen Gehirns ist also nur eine Momentaufnahme des Phänomens Gehirn.
Wegen der endlos langen und vielschichtigen Entwicklung des Gehirns sind die Anordnungen der Standorte mit ihren jeweiligen speziellen Funktionen ziemlich bunt gemischt. Das Gehirn ist nicht ein modernes Bürohochhaus, in dem auf exaktem Grundriss in genau bestimmten Etagen die unterschiedlichen Gehirn-Abteilungen nach genau errechneter optimaler ergonomischer Nützlichkeit einquartiert sind. Das Gehirn gleicht vielmehr einem alten Schloss, das durch Jahrhunderte immer wieder mit immer neuen Anbauten erweitert worden ist, mit Sälen und Zimmern, mit Erkern und Türmchen. Das Gehirn ist wie ein Uraltgebäude mit allen Baustilen seiner Entwicklungsgeschichte. Folglich sind die einzelnen gerade auch arbeitsmäßig zusammengehörenden Funktionen oft beliebig über den ganzen Bau verteilt.
Trotzdem hat das Gehirn eine exakte Topographie. Die einzelnen geistigen Funktionen der drei unterschiedlichen Gehirnteile haben jeweils ihre ganz genaue Platzierung und finden sich immer innerhalb der gleichen Gehirnlandschaft. Wenn man das Gehirn aufrollt, ergibt allein der Neokortex eine Fläche von etwa 36 m², eine riesige neurologische Schalttafel. Jede Funktion hat darauf ihren exakten Ort.
Die Wissenschaft der Anatomie des Gehirns haben im Wesentlichen die Gehirnchirurgen entdeckt, denn seitdem sie versuchten, bei Gehirnschäden direkt ins Gehirn einzugreifen, mussten sie natürlich akribisch lernen, wo und wie welche Stellen welche Bedeutung und Funktionen haben. Die geringsten Abweichungen konnten für das Bewusstsein des Menschen schwerste Folgeschäden haben. So entwickelte sich – gleichsam durch learning by doing – eine immer genauere neurologische, und damit eine immer exaktere kartographische Darstellung des Gehirns. Heutzutage sind weite Flächen des Gehirns und auch die Funktionen ihrer Nervenverbindungen erforscht.
Die Gehirnforschung unterscheidet heute grundsätzlich drei unterschiedliche Gehirnteile, die in ihrer Masse und Anordnung gegeneinander abgegrenzt und definiert sind:
Das Stammhirn ist der absolut älteste Gehirnteil. Es steuert vor allem die Aufgaben und Bedürfnisse aller inneren Organe und ihr Zusammenspiel im Individuum.
Das Limbische System ist nach dem Stammhirn entstanden, reicht aber weit in die Frühgeschichte der Lebewesen zurück. Es gestaltet vor allem die Reaktionen des Individuums zu seiner Außenwelt und ermöglicht ihm, äußeren Gefahren auszuweichen.
Der Neokortex ist der jüngste Gehirnteil. Er hat vor 5 bis 7 Millionen Jahren in der Gruppe der Hominiden seinen ersten Wachstumsanstoß erhalten und sich dann in mehreren Schüben immer erneut weiter entwickelt. In ihm ist die Denkfähigkeit, die rationale Intelligenz, des Menschen entstanden.
(7) Stammhirn und Limbisches System sind keine Denkhirne
Das Stammhirn, der älteste Teil des Gehirns: Das Stammhirn ist kein Ort des Denkens. Es regelt das gesamte Organwesen des Körpers in seinen jeweils einzelnen Funktionen und das sich daraus ergebene gesamtkörperliche Zusammenspiel. Es ist somit als lebensnotwendige Reglungszentrale allen Lebewesen anteilig. Auch dem Menschen. Eine besondere Leistung des Stammhirns besteht darin, die Reize aus der Umwelt über die fünf Sinnesorgane in neuro-elektronische oder neuro-chemische Codes umzusetzen und sie an die nach geschaltete nächst höhere Hirninstanz, das Limbische System zur Bewertung und zum Handlungsvollzug weiterzuleiten. Dabei entscheidet das Stammhirn selbst schon im Voraus, ob überhaupt die Notwendigkeit zur Weiterleitung besteht. Nur Reize mit auffallend hoher Intensität werden weitervermittelt. Das sind im Normalfall maximal fünf Prozent des auflaufenden Wahrnehmungsvolumens von Zigtausenden Wahrnehmungen pro Minute.
Das Limbische System, der neuere Teil des Gehirns: Auch das Limbische System ist kein Ort des Denkens. Im Limbischen Gehirnsystem sitzen die Emotionen, Regungen also, die wir landläufig ungenau als nonverbale Gefühle bezeichnen. In der gegenwärtigen Diskussion ist dieser Hirnbereich neu im Blick als Sitz der emotionalen Intelligenz (EQ).
Die hohe motorische Reaktionsfähigkeit des Limbischen Systems gründet in seiner überraschend einfachen Reaktionsmethode: Eingehende Impulse werden aufgrund von gespeicherten Erfahrungsmustern sofort emotional bewertet ohne den verzögernden Einfluss rationaler Reflexion. Da das Limbische System dem Neo-Kortex, dem Denkhirn vorgeschaltet ist, bleibt dabei das Denkhirn ausgeschaltet. So kann das Limbische System bei vom Stammhirn signalisierter Bedrohung in allerkürzester Zeit elementare spontane Abwehrreaktion auslösen – Flucht oder Angriff. Auch dieser Gehirnteil ist allen tierischen Lebewesen in diversifizierter Form anteilig.
Nur beim Menschen wird nach der Spontanreaktion des Limbischen Systems dann das Denkhirn eingeschaltet und der Vorgang vom Limbische System zur Reflexion an das Denkhirn weiter geleitet.
(8) Neo-Kortex, das Denkhirn.
Der Neo-Kortex, der jüngste Gehirnteil, das Spezifikum der höheren Entwicklungsstufe des Menschen. Er ist schon ganz früh bei Wirbeltieren in elementaren Ansätzen vorhanden, hat sich vor fünf bis sieben Millionen Jahren innerhalb der Evolution der Hominiden verselbstständigt und durch den Ausbau der Großhirnrinde einen wesentlichen Entwicklungssprung gemacht. Vor 200.000 und vor 100.000 Jahren ist er noch einmal sprunghaft expandiert. In seinem jetzigen Zustand der Höchstentwicklung ist er ausschließlich beim Homo sapiens, dem Jetztmenschen ausgeprägt. Ausschließlich in ihm und mit ihm ist das Denken möglich, zugleich alle daraus entstehenden Erscheinungsformen wie Erkenntnis, Wissen, Bewusstsein, Intelligenz, Rationalität – Geist, Kultur.
Wenn man den Neokortex des heutigen Menschen auseinanderfaltet, ergibt sich eine Gesamtfläche von bis zu 36 m². In dieser Fläche sind etwa 100 Milliarden Gehirnzellen (Neuronen) vernetzt. Dieses mikroskopische Leistungssystem entspricht in etwa dem makrokosmischen Funktionssystem der 100 Milliarden Sonnensystem in unser Milchstraße, wobei die Verbindungsnetze der Neuronen zueinander nicht nur zweidimensional angelegt sind, also gleichflächig von einem zum nächsten verlaufen, sondern zugleich dreidimensional in räumlichen Querverbindungen, wodurch die Schaltkapazitäten wesentlich potenziert werden. Der Aufbau dieses gewaltigen Systems macht technisch deutlich, warum Albert Einstein sagt, dass der normale Mensch seine Gehirnkapazität maximal nur zu fünf Prozent zu nutzen vermag.
Die Leistung des Neo-Kortex besteht darin, dass die nonverbalen Codierungen des Limbischen Systems durch das Denkhirn in ein neuartiges System abstrakter Begriffe umgesetzt werden. Es entsteht also im Denkhirn eine eigene Welt von Begriffen, mit denen ein kognitives Erfassen von Natur und Geschehnissen möglich wird. Mit diesen Begriffen entwickelt sich eine eigene Bewusstwerdungswelt des Denkenden mit rationaler Systematik. Der Denkende kann seine Wahrnehmungen und Erfahrungen genauer benennen und damit gegeneinander abgrenzen. Er kann sie in seine Selbstreflexion und in allgemeine Zusammenhänge stellen. Er kann aus ihnen Lehren ziehen und vorsorglich Pläne entwickeln und somit im Voraus seine Sicherheitsmassnahmen erhöhen. Er kann aus ihnen heraus zugleich Wünsche und Vorhaben entwickeln, kann sich Imaginationen und eine Fantasiewelt zusammenbauen, unabhängig von Zeit und Raum, unabhängig von Natur und Wirklichkeit überhaupt. Er kann dabei seine Bindungen an die erfahrene Wirklichkeit überhaupt lösen und neue, andere Wirklichkeiten erfinden, die es gar nicht gibt.
Trotz seiner Sonderstellung wäre es falsch, den Neo-Kortex isoliert zu verstehen als ein in sich abgeschlossenes geistiges Denkzentrum, gleichsam als einen aufgepfropften Fremdkörper im Kopf. Schon von seinen Anfängen her ist der Neo-Kortex eine kontinuierliche Weiterentwicklung speziell des voraus geschalteten Limbischen Systems und mit ihm ständig aufs engste verbunden. Von daher besteht natürlich auch ein unmittelbarer Bezug zum Stammhirn und darüber eine kurzlinige Anbindung an die Sinne als dessen Außenstationen. Das Denkhirn ist also aufs engste verknüpft mit einer großen Zahl von Aufgabenbereichen, den assoziativen Kortex-Arealen, die wesentliche Zuarbeit leisten und auf die hin die rationale Intelligenz (IQ) Zugriff nehmen kann. Erst in diesem Zusammenspiel schafft die gesamte materielle Gehirnsubstanz die Voraussetzungen für die komplexen Denkleistungen des Neo-Kortex.
(9) Das Additiv des Menschen
In allen Ebenen ist das Gehirn also ein materielles System, in dem einzelne Funktionen bestehen und entstehen, die zusammen in großer Komplexität den Denkprozess im Neo-Kortex herstellen. Das Gehirn hat dabei eine exakte Topographie, die wie eine Schalttafel eines Computers funktioniert, nur in viel höheren Dimensionen. Schon 1961 hat Karl Steinbuch mit seinem Buch AUTOMAT UND MENSCH2 die christlichen Leser aufgescheucht, indem er in Anwendung der kybernetischen Informationstheorie Vergleiche anstellte zwischen Computer und menschlichem Gehirn. Dabei hat er zwangsläufig auf viele faszinierende Parallelen verweisen können mit der provokanten Frage: Das Gehirn nur ein Computer, eine Denkmaschine?
Natürlich ist der Mensch in summa nicht nur ein Computer, wie er auch in summa nicht nur ein Affe ist. Gerade das, was ihn in dem einen wie in dem andern Fall davon unterscheidet, ist sein Additiv, das was er darüber hinaus mehr ist und was ihn damit höher qualifiziert. Ist gibt keinen Grund, dieses Additiv klein zu reden oder gar zu leugnen, ganz im Gegenteil: Der Mensch ist in einer höheren, ja, in der bisher höchsten uns bekannten Ebene der Natur angekommen. Das ist in Möglichkeiten und Verantwortung eine unvergleichliche Höchstposition des gesamten Seins.
Trotzdem und gerade deshalb funktionieren im Menschen exakt die gleichen Naturgesetze wie in allem, was auf tieferer Entwicklungsstufe der Natur unter ihm steht. Auch im Computer läuft die gleiche Technik, die auch im Menschen durch die Natur und ihren Naturgesetzen vorgegeben ist. Darin unterscheidet sich der Mensch durch nichts vom Computer. Der Mensch ist und bleibt in allem Natur wie alles Gewordene, auch das von ihm Gemachte, der Computer. Denn der Mensch hat die Technik nicht gegen die Natur neu erfunden, sondern hat nur mit seinem forschenden Verstand die Natur in ihrem Aufbau und einzelnen Funktionen erkannt, nachvollzogen und angewendet.
Der verstehende Kopf, das genau ist das Additiv des Menschen, sein denkfähiges Gehirnteil. Aber gerade dieses Gehirn mit allen seinen Funktionen und Produktionen, speziell mit seiner Geistentwicklung ist Natur, die höchste Stufe der Evolution der Natur. Mit ihm produziert die Natur die Welt des Geistes.
Dass der Affe das nicht erkennen kann,
das macht den Affen zum Affen.
Dass der Mensch das erkennen kann,
das macht den Menschen zum Menschen.
Das macht den Unterschied zwischen Affen und Mensch.
In dieser Differenz liegt das Additiv zum Humanum.
Zusammenfassung in drei Thesen
These 1: Materie schafft Geist. Alle naturwissenschaftlichen Erkenntnisse in dieser Frage zielen auf die Feststellung, dass die Materie dem Geist vorausgeht und sich der Geist aus der Materie heraus entwickelt3. Konkret setzt diese Erkenntnis ein genaues Wissen über das Gehirn voraus. Das Gehirn ist die materielle Voraussetzung für jede Entstehung und Entwicklung des Geistes und für alle aus ihr entstehenden Derivate wie Denken, Bewusstsein, Erkenntnis, Wissen, Kultur und auch Religion, insgesamt für die ganze Welt des Geistes. Soweit sich also der Mensch in der generellen materialistischen Welt- und Seinsdeutung insgesamt als ein reines Naturprodukt darstellen lässt, ist auch die Erklärung des Geistes aus dem Gehirn zwangsläufig materialistisch. Der Zentralbegriff dafür ist der biogenetische Begriff DNA4.
Die Wertschätzung des Phänomens Materie in den modernen Naturwissenschaften hat sich speziell in den letzten 50 Jahren durch die moderne Biogenetik noch einmal ganz wesentlich erhöht5. Die Biogenetik griff dabei zurück auf die Erkenntnisse der Quantenphysik einerseits und andererseits auf die Informationstheorie der Kybernetik6. Mit ihrer mikroskopischen Gen-Forschung erkannte sie, dass nicht nur anfassbare Substanz des lebenden Körpers Materie ist, sondern dass auch alle Funktionen und Abläufe im Körper mittels chemischer Prozesse materiell entwickelt und materiell gesteuert werden. Von daher entdeckte sie die DNA und mit der DNA gelang ihr die Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes. Dabei wurde evident, dass mit der DNA generell die Erbfolge des spezifischen Menschseins gerade auch des Geistes seit Jahrmillionen von der Natur per materiellem Bauplan weitergegeben wird. Eben in diesem materiellen Bauplan liegt der Beweis: Biologisch-individuell quantifizierte Materie ist genetische Information. Genetische Information ist biologisch-individuell quantifizierte Materie.
These 2: Das Gehirn hat eine exakte Topographie. Die Gehirnchirurgen erkannten als erste, dass in der Gehirnmasse jeder einzelne Punkt ein exklusiver Baustein des Lebensprozesses ist. Deshalb mussten und müssen die Chirurgen bei ihren operativen Eingriffen ins Gehirn absolut punktgenau arbeiten, um keine zusätzlichen Gehirnverletzungen zu verursachen. Jede Gehirnverletzung kann Verlust oder Einschränkung von Lebensfunktion bedeuten. Aufgrund dieser notwendig akribischen Arbeit sind in den letzten Jahrzehnten viele Gehirnpunkte und ihre Gruppierungen geortet und definiert worden. Immer mehr Punkte und ihre Gruppierungen lassen sich bestimmten Lebensfunktionen genau zuordnen. Inzwischen ist die Landschaft des Gehirns intensiv erforscht. Natürlich zielt die Forschung dahin, alle Gehirnpunkte, Gehirngruppieren, Gehirnfunktionen exakt zu identifizieren.
Generell ist erkannt, dass im Gehirn drei Großteile ausgeprägt sind: Das STAMMHIRN, das das Zusammenspiel aller Organe in ihren Bedürfnissen und deren Befriedigungen reguliert. Das LIMBISCHE SYSTEM, das die emotionale Intelligenz (EQ) steuert. Der NEO-KORTEX, in dem das Denken, die rationale Intelligenz (IQ) abläuft. Die Gesamtheit der Gehirnleistung basiert auf einer mikrokosmischen Teilchenmasse von etwa 100 Milliarden Nervenzellen, sogenannten Neuronen. Diese mikrokosmische Neuronenzahl im Gehirn entspricht in etwa der makrokosmischen Sternenzahl in mittelgroßen Galaxien. In unserer Galaxie Milchstraße gibt es etwa 100 Milliarden Sonnensysteme mit Planeten und Monden. Auch das menschliche Gehirn arbeitet also mit der riesengroßen Zahl der Natur7 und stellt so dem Menschen gerade auch in seinem Denkhirn eine unausschöpfbare Kapazität von Schaltfunktionen zur Verfügung.
These 3: Nur der Neo-Kortex kann denken. Denken ist in der jüngsten Evolutionstrecke der Natur die völlig neue Fähigkeit des Lebens, Wahrnehmungen des Limbischen Systems in abstrakte Begriffe zu fassen. Es entsteht aus den nonverbalen Wahrnehmungen des Limbischen Systems im Neo-Kortex eine Welt von Begriffen, die die reale Welt nicht real erfassen, sondern die reale Wirklichkeit nur in subjektiver Interpretation darstellen können. Mit diesen ihm eigenen Begriffen entwickelt das Denken eine ihm eigene subjektive Wirklichkeit. In ihr und mit ihr kann sich jeder Mensch die Welt individuell erklären und vorstellen. Er kann dabei beliebig Zeit und Raum überspringen, kann reflektieren und analysieren, verneinen und alles ins Gegenteil kehren, kann voraus denken und planen, kann religiöse Wunschbilder, kann sich auch Gott imaginieren oder nicht, kann Utopien entwickeln – ohne dass das alles mit der Realität übereinstimmt oder die Realität gar beweist. Im subjektiven Denken des einzelnen Menschen gibt es keine absolute Evidenz für Realität, keine objektiv Erkenntnis der Welt. Die Denkwelt des Neo-Kortex ist eine in sich völlig relative Welt des Geistes.
Im Neo-Kortex liegt das Additiv des Menschseins, ja, der Neo-Kortex ist das Additiv zum Menschsein. Obwohl der Mensch reine Natur ist, übersteigt er mit seiner Denkfähigkeit die Gesamtheit der Natur, er steht aus der Natur heraus der Natur in einer Sonderstellung gegenüber. Er kann sich als einziges Lebewesen wenn auch nur ein Bild, so doch immerhin eine Vorstellung machen – von sich selbst, von seiner Umwelt und seinem Dasein, von der Welt insgesamt und dem Sein an sich. Er allein verfügt damit über die Fähigkeit der Selbstreflexion: Er kann mit seinen abstrakten Begriffen zu sich selbst auf Distanz gehen und sich so sein Denken und Handeln bewusst machen und es korrigieren. Er ist damit zur eigenständigen Verantwortung fähig. Von daher ist der Mensch das einzige Lebewesen, das den ethischen Begriff Humanität versteht.
Generelle Schlussfolgerungen
1. Rationale Intelligenz. Durch die paläontologische Forschung ist eindeutig: Der Neo-Kortex ist das exklusive Kennzeichen der rationalen Intelligenz. Der Denkapparat Neo-Kortex hat sich im menschlichen Gehirn erst in den letzten 5 bis 7 Millionen Jahren aus ganz kleinen Anfängen beim Urmenschen entwickelt. Die Paläontologen können die immer komplexere Weiterentwicklung der Hirnsubstanz ablesen an den jeweiligen Wachstumsstufen der gefundenen menschlichen Schädel. In der Folge ist unser Denkhirn heute also das Ergebnis eines evolutionären Prozesses der Natur und damit Produkt der gesamten materiellen Entwicklung des Daseins. Der Neo-Kortex des modernen Kulturmenschen ist die uns derzeit bekannte höchste Denk- und Geiststufe. Der moderne Mensch heute steht mit seinem ausgereiften Gehirn also an der Spitze der Evolution.
Doch rationale Intelligenz ist in der kosmischen Evolution nicht zwingend an die Entwicklung der Hominiden auf Erden gebunden. Der irdische Typ Mensch erscheint nur als ein Beispiel für die Möglichkeit von Emanation rationaler Intelligenz. Höchst wahrscheinlich ist, dass extraterristisch andere Entwicklungen rationaler Intelligenz schon gelaufen sind oder parallel laufen. Dabei ist anzunehmen, dass an anderen Stellen im Weltraum aus Gründen gleicher Naturgesetze die Entwicklungsstufen in der Abfolge ähnlich sein müssen wie auf der Erde, nämlich: Von atomarer – über biologische – zur geistigen Individualität8. Die Formgestaltung solcher außerirdischen Intelligenzwesen könnte allerdings den außerirdischen Bedingungen entsprechend völlig anders sein als die auf der Erde9.
2. Natürliches Grundrecht auf Lebensvielfalt. Durch die biogenetische Forschung ist erwiesen: In der riesigen Zahl von Menschen hat jeder einzelne Mensch seinen ihm eigenen genetischen Code (DNA), der in Vorgabe der Natur die Vielfalt seiner Lebensmöglichkeiten definiert. In der DNA ist die Lebensvielfalt genetisch unzerstörbar in ihrem materiellen Bauplan vorprogrammiert, ist billionenfach in jede einzelne Zelle als Erbgut eingebrannt. Mittels der DNA ist jeder einzelne Mensch als eigene Persönlichkeit zu identifizieren, auch noch wenn er schon tot ist. Mit der individuellen DNA ist das Persönlichkeitsprofil jedes einzelnen Menschen in seiner Individualität und Einzigartigkeit also als feste materielle Komplexität von der Natur vorgegeben. Sie drückt sich aus in der Fülle von genetisch bedingten körperlichen und geistigen Bedürfnissen, die im Individuum aus seiner Natur heraus, also naturbedingt, bestehen und damit einen naturbedingten Anspruch auf Befriedigung haben.
Die genetischen, naturbedingten Bedürfnisse betreffen alle Lebensäußerungen des Individuums: Alle niederstufigen Grundbedürfnisse wie Luftholen, Schlafen, Sattwerden; wie Sex, Sicherheit, Zugehörigkeit; wie, Erfolg, Besitz, Macht. Alle höherstufigen Bedürfnisse wie Vertrauen, Intimität, Solidarität, wie Wissenschaft, Kunst, Ethik; wie Religion, Theologie, Philosophie; wie sich selbst bestimmendes autonomes Ich-Bewusstsein. In summa: Die Basiselemente der Bedürfnispyramide menschlicher Individualität10. Diese Bedürfnis definieren aus der Vorgabe der Natur heraus das natürlich Grundrecht des menschlichen Individuums: Jeder Mensch hat aus seinen naturbedingten Bedürfnissen heraus ein naturbedingtes Grundrecht auf ein ihm eigenes Leben, das Naturrecht auf Durchsetzung seiner eigenen persönlichen Interessen gegen die Interessen der anderen11. Dies ist genetisch nicht auf einen Minimal-, sondern auf einen Maximalanspruch ausgelegt, das Recht auf das höchst zu erreichende Ziel, auf eine größtmögliche Verwirklichung der Vielfalt seiner Natur. Dabei ist die Macht des Stärkeren, der seine Bedürfnisse am direktesten durchsetzt, im Großen und Kleinen immer der Antrieb der Menschheitsgeschichte gewesen und darüber hinaus der gesamten materiellen Evolution12.
3. Intaktes Gehirn. Durch die anatomische Gehirnforschung ist erwiesen: Die Funktionen des Gehirns sind nur gewährleistet, wenn ihre DNA-Funktionalität und damit die materiellen Bedingungen des Gehirns intakt sind. Von der Gehirnanatomie wird die These Materie bestimmt den Geist vollständig bestätigt. Wenn die materielle Basis gestört und gar zerstört ist, funktionieren – direkt davon abhängig – die Gehirnprozesse nicht mehr ordnungsgemäß oder gar nicht. Das betrifft ganz besonders auch den Neo-Kortex und damit alles, was mit der rationalen Intelligenz zusammenhängt vom Erkennen der Umwelt bis hin zum Ich-Bewusstsein. Ist im Denkhirn die DNA-programmierte Materie zerstört, hört die Umsetzung des DNA-Programms auf und die programmierte Gehirnfunktion fällt ersatzlos weg13. Das Gehirn ist, wie der Mensch insgesamt, speziell mit seinen hoch qualifizierten Denkfunktionen absolut endlich. Mit dem Tod endet schließlich auch die Arbeit des Denkhirns für immer. Die DNA-geordnete Gehirnmasse zerfällt in ihre elementaren materiellen Bestandteile. Der funktionale DNA-Ordnungszustand des individuellen Denkhirns hat sich damit für immer aufgelöst. Es gibt keinen Geistzustand, kein individuelles Ich mehr.
Von daher die Schlussfolgerung: Jede Diskussion in unserer heutigen Zeit über den Geist des Menschen und über Geist generell ist völlig sinnlos ohne zumindest grundsätzliche Kenntnisse des menschlichen Gehirns und seiner Funktionen und Produktionen. Alles beliebig-freie Spekulieren über den Geist ist für die Realität ohne jeden Wert und an dem objektiven Sachbestand völlig vorbei. Wer so fabuliert, beweist nichts als seine persönliche subjektive Einbildungskraft. Das trifft auch zu auf alle Geistspekulationen der Religion und Religionen, ob irdisch oder himmlisch bezogen. Mussten die Menschen früher religiös spekulieren, weil man damals ohne Naturwissenschaften nur glaubend denken konnte, so gibt es heute nur eine einzige Konsequenz: Angesichts der wissenschaftlichen Erkenntnisse muss der religiöse Glaube über den Geist als Ausdruck einer bestimmten Zeitepoche der Menschheit historisiert und damit außer Kraft gesetzt werden14. Alle religiösen Geistspekulationen sind Märchenstunde. Jede ernsthafte – auch theologische und philosophische – Debatte über den Geist kann heute nur auf der Basis wissenschaftlicher Gehirn-Erkenntnisse geführt werden.
______________________
Autor: Paul Schulz
- DNA ist der englische Begriff für desoxyribonucleic acid. Deutsch: DNS – Des-oxy-ribo-se-nuklein-säure. ↩
- Karl Steinbuch, AUTOMAT UND MENSCH, Frankfurt 1961. ↩
- Auf dieser These basieren die Naturwissenschaften und mit ihnen auch der Atheismus. ↩
- Siehe Anmerkung 1. ↩
- Vorausgehend durch die Quantenphysik Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als durch Atomforschung die Materie ganz in den Vordergrund rückte. ↩
- Als in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts die Biochemie und daraus später die Biogenetik entstanden, war wissenschaftlich die Kybernetik das neue Denkmodell in Deutschland. Die Kybernetik ist heute gegenüber der Computertechnik stark in den Hintergrund getreten. ↩
- Dazu Diskurs 03.03 (3 ff): Vergegenwärtigung der endlos großen Zahl der Natur. ↩
- Dazu Diskurs 01.07: Individualisierung als Evolutionsprinzip ↩
- Es ist außerdem durchaus denkbar, dass die Entwicklung der rationalen Intelligenz auf Erden, speziell nach einer degenerativen Kulturphase des modernen Kulturmenschen heute, nicht zwingend über den Homo sapiens weiter laufen muss. Langfristig könnte die rationale Intelligenz durch die Ausbildung und Höherentwicklung einer anderen Lebensgattung ausgetragen werden. ↩
- Dazu Diskurs 02.06: Die Bedürfnispyramide der Person. ↩
- Alle Theorien einer sozial-humanitären Gesellschaft stammen nicht aus dem Prinzip Natur, sondern aus dem Prinzip Kultur. Dazu Diskurs 06.01: CODEX HAMMURABI. Die Erfindung der Gerechtigkeit. ↩
- Schon für Heraklit war deswegen in der Menschheitsgeschichte der Krieg der Vater aller Dinge. Für Charles Darwin war das Durchsetzungsprinzip der Evolution The winner is the fittest. ↩
- Die Gehirnchirurgie ist dagegen der Versuch, Schädigungen materiell zu reparieren und so Gehirnfunktionen zu schützen und in Gang zu halten. ↩
- Dazu Diskurs 03.01. (8): Als Bewusstseinsstufen der Menschheitsgeschichte müssen Religion und Theologie atheistisch nicht bekämpft werden. ↩